Vor einem Jahr wuchtet Elon Musk ein Waschbecken in die Unternehmenszentrale von Twitter. "Let that sink in" schreibt der damals reichste Mensch der Welt anschließend auf der Zwitscher-Plattform, zu Deutsch: Lassen Sie das sacken! Kurz vorher hatte Musk Twitter nach längerem Hin und Her für 44 Milliarden US-Dollar gekauft.
Warum hat Musk Twitter gekauft?
Musk ist damals schon seit Jahren ein begeisterter Nutzer der Plattform, twittert über Videospiele und Mems und macht Werbung für Tesla. Warum Musk Twitter letztlich kauft, ist nicht so ganz klar. Manche sagen, Musk sei süchtig nach Twitter und möchte die Plattform kontrollieren. Andere wiederum meinen, dass Musk aufrichtig daran interessiert ist, Twitter besser zu machen. Der Musk-Biograf Walter Isaacson beispielsweise schreibt, dass Musk dem Twitter-Management immer wieder Vorschläge macht, was man an Twitter besser machen kann, aber auf taube Ohren trifft.
Twitter galt mal als schlafender Riese
Musk ist vielleicht wie einer der 80 Millionen Bundestrainer, die nach einem Ausscheiden der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ganz genau wissen, woran es diesmal wieder gelegen hat. Nur, dass Musk die Mittel hat, seine Ideen auch in die Tat umzusetzen. Dass Twitter damals dringend einen frischen Anstrich braucht, bestreiten dabei auch nicht die größten Musk-Kritiker. Die Nutzerzahlen stagnieren, der Aktienkurs dümpelt vor sich hin, Twitter ist zwar beliebt bei Journalisten, Politikern und manchem Promi, doch die breite Masse treibt sich lieber bei Instagram, Facebook und immer öfter auch auf TikTok herum.
Musk: "Twitter wie ein abstürzendes Flugzeug"
Gut zwei Monate nach dem Twitter-Kauf bezeichnet Elon Musk Twitter deswegen als "ein abstürzendes Flugzeug, mit brennenden Triebwerken und kaputter Steuerung". Wie also Twitter vor dem Absturz retten? Der frisch gebackene Twitter-Chef versucht es mit einem rigiden Sparprogramm und viel Arbeit. Musk lässt Betten für Angestellte in der Unternehmenszentrale aufstellen, streicht das kostenlose Mittagessen; Kaffeemaschinen, Öfen und Designer-Stühle werden verscherbelt und außerdem noch ein Neon-beleuchtetes Twitter-Logo, eine Vogel-Statue und ein Pflanzenkübel in @-Form. Laut der New York Times müffelt es in den Twitter-Büros bald nach Essensresten und Schweißgeruch, denn es fehlen Reinigungskräfte. Angeblich müssen die Mitarbeiter sogar ihr eigenes Toilettenpapier mitbringen. Im Oktober 2022 hat Twitter noch 7.500 Angestellte. Drei Monate später sind es noch 2.300.
Musk versucht Twitter auf Kurs zu bringen - und macht alles noch schlimmer
Gleichzeitig stellt sich aber auch schnell heraus, dass Musk Twitter zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt übernommen hat. Wegen des Ukraine-Kriegs explodieren die Preise, dann schnellen die Zinsen hoch, Kredite werden teurer. Gleichzeitig fallen die Aktienkurse, insbesondere von Tech-Unternehmen. Meta, Microsoft, Shopify, Snapchat, Amazon: Sie alle entlassen jetzt Mitarbeiter. Aber Musk geht sehr viel radikaler vor. Er wirft zwei Drittel seiner Mitarbeiter raus. Kein Wunder: Twitter hat einfach kein Geld mehr. Werbekunden ziehen sich zurück, Einnahmen brechen weg, zugleich muss Twitter immer höhere Zinsen für die Kredite zahlen, weil Musk dem Unternehmen einen Teil des Kaufpreises als Schulden aufgebürdet hat - insgesamt etwa 13 Milliarden US-Dollar.
Twitter Premium floppt
Dass die Werbekunden vorerst keine Lust mehr auf Twitter haben, liegt auch an Elon Musk selbst. Der Milliardär twittert Verschwörungstheorien, untergräbt die Solidarität mit der Ukraine, lässt auf der Plattform mehr Hass und Hetze zu. Auf der anderen Seite werden fast täglich neue Features verkündet. Bald kann man auf Twitter sehen, wie oft ein Tweet angeschaut wurde und per Community-Notes auf falsche Informationen hinweisen. Viel Hoffnung setzt Musk auf Twitter Premium, dem Bezahlangebot, mit dem Musk unabhängiger werden will von Werbekunden. Doch so richtig will Twitter Premium nicht zünden. Im Juli 2023 erfolgt dann die Umbenennung von Twitter in X. Ein Name, der wie kein anderer für das globale Internet-Sofa stand, verschwindet.
X schrumpft
X ist heute eine Plattform, die keineswegs tot ist, wie viele Musk-Kritiker geunkt haben. Das liegt allerdings auch daran, dass es noch keine echte Alternative gibt, zumindest keine, auf der sich so viele Nutzer tummeln wie auf X. Und trotzdem: X ist eine Plattform im Niedergang. Nach Angaben des Datenanbieters Apptopia meldeten sich im September täglich etwa 13 Prozent weniger Nutzer an als im Oktober letzten Jahres. Ein ähnliches Bild zeichnet das IT-Unternehmen Similarweb in einer Analyse. Demnach waren in den ersten neun Monaten weltweit über 10 Prozent weniger Menschen unterwegs als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Allerdings gibt es eine Ausnahme. Ein Twitter-Profil hat in diesem Jahr doppelt so viel Reichweite generiert wie im letzten Jahr - es ist das von Elon Musk.
Audio: Musk-Biografie: Über Genie, Wahnsinn und seine Kinder
Bildrechte: picture alliance / abaca | Apaydin Alain/ABACA
Audiobeitrag
Seit 2018 verwehrt sich Musk gegen das Gerücht, heimlich eine Zombie-Apokalypse vorzubereiten, um Bedarf für seinen Flammenwerfer zu schaffen.
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